Mögliche Komplikationen - die Aufklärung
Verfasst von Super User.
Die Schilddrüsenoperation ist ein typischer Eingriff für den Spezialisten. In seiner (ihrer) Hand ist die Operation heute sehr komplikationsarm. Die chirurgische Herausforderung stellt sich vor allem bei Totalentfernung (Thyreoidektomie), bei Krebsoperationen und bei Rezidivoperationen und Mehrfacheingriffen. Postoperativ auftretende Komplikationen bilden sich zu über 90% innerhalb von 6 Monaten wieder zurück, nur wenige bleiben dauerhaft (permanente Komplikation).
Die drei eingriffstypischen Komplikationen sind:
1. die Stimmbandnervlähmung (Recurrensparese) - postoperativ 2-4%, dauerhaft 0,2%*
Stimmbandnervlähmung
Das intraoperative Aufsuchen und Darstellen des oft versteckt liegenden Stimmbandnerven (Nervus laryngeus recurrens) hat sich seit Jahrzehnten in den großen Schilddrüsenzentren zunehmend etabliert und maßgeblich zur Senkung der Komplikationsrate beigetragen. In unseren eigenen Qualitätssicherungsstudien (Link zu Buch und Paper) konnten wir zeigen, dass die komplette Darstellung des Nervus laryngeus recurrens nicht nur die Recurrenspareserate erheblich reduziert, sondern auch die Chance auf Rückbildung wesentlich verbessert. Man kann davon ausgehen, dass bei sorgfältiger mikrochirurgischer Nervendarstellung die postoperative Rate an Recurrensparesen zwischen 3 und 5% liegt und die Rückbildungsrate bei dargestelltem und anatomisch geschontem Nerv über 90% beträgt, somit nur 0,5% an dauerhaften Paresen zu erwarten sind. Bei Rezidiveingriffen ist diese Rate etwas höher.
Der linke Schilddrüsenlappen ist luxiert und der Stimmbandnerv steht unter Zug und es besteht die Gefahr, dass er seine Funktion kurzfristig verliert
Hier ist der rechte Schilddrüsenlappen luxiert, der Stimmbandnerv verläuft in stark exponierter Position vor den Schilddrüsenknoten uns steht ebenfalls unter Zugspannung. Seine Funktion kann mittels Neuromonitoringsonde geprüft werden.
Nach Entfernung der Schilddrüse kehrt der Stimmbandnerv in seine ursprüngliche Position zurück;
Dieser - wenn auch seltene - kurzfristige Funktionsausfall des Nerven ist bis heute weltweit unvermeidbar. Das intraoperative Neuromonitoring hilft uns aber 1. den Nerven während der frühestmöglichen Operationsphase zu lokalisieren, ihn als solchen zu identifizieren und seine Funktion zu prüfen: entweder intermittierend durch regelmäßige Stimulation zwischen den Operationsschritten, oder kontinuierlich während der ganzen Operation (siehe Kapitel Neuromonitoring und Video). Zeigt diese intraoperative Funktionsprüfung einen Ausfall der Nervenleitung am Stimmbandnerv, so wird - so erforderlich - der 2. Schilddrüsenlappen erst zu einem späteren Zeitpunkt - nach Erholung des ersten Nerven - operiert. Dies dient der Sicherheit des Patienten, um einen beidseitigen Funktionsausfall des Nerven mit seinen dramatischen Folgen zu vermeiden.
Symptome und Beschwerdebild bei Stimmbandnervlähmung:
Eine einseitige Stimmbandnervlähmung geht mit unterschiedlichem Grad an Heiserkeit, manchmal auch mit Aspiration (Verschlucken) einher, eine beidseitige Parese hingegen mit schwerer Atemnot, manchmal der Notwendigkeit eines Luftröhrenschnitts, beträchtlichen Schluckproblemen und stark beeinträchtigter Verständigungsmöglichkeit. Alles in allem besteht eine erhebliche Einbuße der Lebensqualität dieser Patienten und eine beträchtliche Einschränkung ihres sozialen Umgangs. Diese Komplikation ist unter allen Umständen zu verhindern.
Therapie und Nachsorge:
Die Störung der Stimmbandfunktion ist vielfach nur vorübergehend und innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen bis zu 6 Monaten rückbildungsfähig. Bis dahin sind regelmäßige Kontrollen bei einem HNO-Facharzt angezeigt, um eine kontinuierliche Verlaufsbeobachtung der Stimmbandmotilität bis zur nachgewiesenen Rückbildung der Parese zu gewährleisten. Eine logopädische Therapie kann die Stimmrehabilitation beschleunigen und auch bei der (seltenen) dauerhaften Stimmbandlähmung eine normale Stimmqualität erreichen.
2. der Calciummangel (Hypocalcämie - Hypoparathyreoidismus) - postoperativ bis 20% - dauerhaft unter 1%*
der Calciummangel (Hypocalcämie - Hypoparathyreoidismus)
Das Erkennen und Auffinden der Nebenschilddrüsen erfordert einige Übung und eine mikrochirurgische Präparationstechnik. Manchmal liegen sie sehr exponiert in gefährdeter Position, oft aber auch versteckt und in deutlicher Distanz zur Schilddrüse.
Eine exponiert liegende Nebenschilddrüse, deren Gefäßversorgung von der Schilddrüsenkapsel entspringt. Bei Entfernung der Struma muss ein ernährender Gefäßstil erhalten, oder eine Autotransplantation durchgeführt werden.
Auch der postoperative Kalziummangel (bis 20 % am ersten postoperativen Tag) ist – so wie die Stimmbandnervlähmung - in den meisten Fällen reversibel. Diese Hypocalcämie ist ein Ausdruck einer verminderten Nebenschilddrüsenfunktion und durch Durchblutungsstörung der Epithelkörperchen verursacht, denen oft die Schilddrüse als Schutz und blutversorgendes Organ fehlt. Auch eine unbeabsichtigte Entfernung einer der vier Nebenschilddrüsen kann vorkommen, wenn sich diese beispielsweise in einer Kapseltasche der Schilddrüse verstecken. Bei jeder Schilddrüsenoperation ist jedenfalls streng darauf zu achten, jene Epithelkörperchen, die in gefährdeter Lage an der Schilddrüsenkapsel liegen, sicher zu identifizieren und zu erhalten. Stellt sich intraoperativ heraus, dass ein Epithelkörperchen nicht an seinem versorgenden Gefäß-Stiel erhalten werden kann, so sollte stets eine Epithelkörperchen-Autotransplantation durchgeführt werden. Nach Bestätigung durch Gefrierschnittsdiagnose einer Epithelkörperchenbiopsie wird dieses in kleinste Gewebsstückchen zerteilt und in eine Muskeltasche des Kopfwendermuskels (Musculus sternocleidomastoideus) implantiert. Die Nebenschilddrüsenzellinseln ernähren sich durch Diffusion aus dem Muskel und sollten wieder hormonaktiv werden.
Beschwerden bei Calciummangel:
Ein leichter Calciummangel bereitet kaum Beschwerden. Erste Symptome sind Kribbelgefühl (Parästhesien) in Händen, Beinen und um den Mund. Bei ausgeprägten Fällen (sehr selten) kommt es zu mitunter auch schmerzhaften Muskelkrämpfen mit sogenannter Pfötchen-(Hände), Spitzfuß-(Beine) und Fischmaulstellung (Gesicht).
Therapie und Nachsorge:
Die Therapie der Hypocalcämie besteht in Kalziumsubstitution (bis zu 3x1000 mg täglich) und Vitamin D 3 Ersatz. Zu Beginn muss das ein aktives, sofort wirksames Vitamin D (1,25 Dihydroxycholecalziferol, zB Rocaltrol bis 2x0,5mg) sein.
Regelmäßige Kalzium-und Parathormonbestimmungen und die genaue Erhebung des Beschwerdebildes sind im Zuge von Nachuntersuchungen erforderlich, um die Normalisierung der Nebenschilddrüsenfunktion regelmäßig zu prüfen und die Therapie von Calcium und Vitamin D schrittweise zu reduzieren oder abzusetzen. Eine unbegründete, zu hoch dosierte Vitamin D Therapie kann wiederum zu einer Vitamin D Vergiftung mit Calciumüberschuss (Hypercalzämie) und den daraus resultierenden Folgeschäden des Körpers führen.
3. die Nachblutung - unter 1%*
die Nachblutung
Auch die Komplikation "Nachblutung" ist durch die mikrochirurgische Operationstechnik zur Seltenheit geworden. So konnte die Nachblutungsrate von durchschnittlich 3 % auf deutlich unter 1 % gesenkt werden. Die zahlreichen zu- und abführenden Gefäße zur Schilddrüse werden in der modernen Chirurgie selektiv mit zarten resorbierbaren Fäden unterbunden. Am Ende der Operation wird der Blutdruck in den Arterien und in den Venen künstlich gehoben, um Blutungsquellen zu provozieren und identifizieren und vor Ende der Operation nochmals sicher zu versorgen. Dennoch kann es in der postoperativen Phase vorkommen, dass ein Blutgefäß wieder zu bluten beginnt; sollte diese Blutung nicht von selbst zum Stillstand kommen, muss die Wunde in Kurznarkose nochmals geöffnet und die Blutungsquelle gestillt werden.
Anhand unserer Qualitätsstudien an über 30.000 Schilddrüsenoperationen konnten wir nachweisen, dass die meisten Nachblutungen innerhalb von 12 Stunden, nach 24 Stunden nur noch in extrem seltenen Fällen auftreten und daher Patienten mit regulärem postoperativen Verlauf nach 24 bis 48 gefahrlos nach Hause entlassen werden können.
Versiegelungstechniken mit hochtechnologischen Geräten wie Ligasure Presice oder Ultracision sind ebenfalls sicher, können die Rate an Nachblutungen jedoch nicht weiter senken.
Bluterguss im Operationsfeld als Folge einer Nachblutung